
Langfristige Renovierungsstrategie für Deutschland nachbessern
Bis März 2020 bereits hätten eigentlich alle EU-Mitgliedsstaaten der EU-Kommission eine Strategie zur Dekarbonisierung ihrer nationalen Gebäudebestände vorlegen müssen. Eine solche Strategie hat die EU-Kommission von jedem Mitgliedsstaat mit der revidierten EU-Energieeffizienzrichtlinie eingefordert. Die Bundesregierung hat nach längerer Diskussion zwischen den Ressorts im Mai 2020 ihren Entwurf dafür vorgelegt. Für den BDI bleibt die Bundesregierung allerdings mit dem Papier den Nachweis, dass sie eine Strategie zur Dekarbonisierung des Gebäudebestands in Deutschland bis 2050 besitzt, schuldig.
Maßnahmen des „Klimaschutzprogramms 2030“ werden wohl nicht ausreichen
Der vorliegende Entwurf der langfristigen Renovierungsstrategie Deutschlands ist im Wesentlichen eine Aufzählung der Förderprogramme und Maßnahmen, deren Kernelemente erst mit dem „Klimaschutzprogramm 2030“ Ende 2019 vorgestellt wurden. Das Klimaschutzprogramm allerdings ist ausgelegt auf das Erreichen der Klimaschutzziele 2030 im Gebäudesektor. Die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudebestands stellt eine unvergleichlich größere Herausforderung dar: Im Jahr 2030 darf der Gebäudesektor noch 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausstoßen, im Jahr 2050 dürfen Gebäude wohlmöglich gar kein CO2 mehr emittieren. Hinzu kommt, dass mit dem Klimaschutzprogramm 2030 für den Gebäudebereich zwar wichtige Förderanreize etabliert wurden, um das Erreichen der CO2-Einsparziele 2030 im Gebäudesektor zu sichern. Eingeführt dafür wurden unter anderem die Steuerförderung der energetischen Gebäudesanierung für privat genutztes Wohneigentum sowie eine attraktivere Programmförderung. Jedoch zeigen jüngste Gutachten der Bundesregierung zur Wirksamkeit des Klimaschutzprogramms, dass die mit dem Programm getroffenen Maßnahmen selbst für das Erreichen der 2030er-Klimaziele aller Voraussicht nach nicht ausreichen werden.
Attraktivität der Förderanreize sollte entsprechen der BDI-Vorschläge erhöht werden
Der BDI-Sicht plädiert deshalb dafür, dass die Steuerförderung und die Programmförderung noch attraktiver gemacht werden. Denn wirksame Anreize sind der wichtigste Hebel für ein Mehr an tiefgehender Gebäudesanierung. Entsprechend der Vorschläge, die der BDI mit weiteren Spitzenverbänden bereits Ende 2017 vorgelegt hatte, sollten die Fördersätze auf 30 Prozent angehoben werden. Ergänzend sollten steuerliche Hemmnisse für energetische Sanierungen kommerziell genutzter Gebäude abgebaut werden. Ziel muss es sein, dass Gebäudesanierungen heute bereits mit der für ein Erreichen der Klimaziele 2050 geforderten Sanierungstiefe getätigt bzw. mit einem entsprechenden Sanierungsfahrplan in der richtigen Weise angestoßen werden.
Elementar wichtig ist zudem, dass den Gebäudeeigentümern in Deutschland heute bereits aufgezeigt wird, welche Effizienzanforderungen für Gebäude perspektivisch im Durchschnitt gefordert sein werden, so dass Eigentümer die ihnen verfügbaren Mittel so effizient wie möglich einsetzen und dass Fehlinvestitionen vermieden werden können. Der Klimaschutzplan 2050 spricht davon, dass für das Ziel eines „nahezu klimaneutralen Gebäudebestands“ im Jahr 2050 der Wohngebäudebestand im Durchschnitt nur noch ca. 40 Kilowattstunde (KWh) pro Quadratmeter und Jahr verbrauchen dürfe. Für Nichtwohngebäudebestand sind es im Durchschnitt 52 KWh pro Quadratmeter und Jahr. Jedoch strebt die Bundesregierung heute „Treibhausgasneutralität“ an, was ein deutlich ambitioniertes Einsparziel bedeutet. Entsprechend sollte die Aussage zu den Effizienzanforderungen im Jahr 2050 überprüft und innerhalb der langfristigen Renovierungsstrategie Deutschlands angepasst werden.
Bundesregierung muss ihre eigenen Sanierungsziele in der Strategie darlegen
Nicht zuletzt muss die Bundesregierung in ihrer Langfristrenovierungsstrategie für Deutschland einen Plan für die Sanierung des Bundesgebäudebestands aufzeigen. Schließlich ist die Vorbildfunktion bei der öffentlichen Gebäudesanierung ein elementarer Teil der Verantwortung des Bundes für den Beitrag des Gebäudesektors zum Erreichen der Klimaschutzziele. Im Klimaschutzprogramm 2030 hatte der Bund sich eigentlich verpflichtet, seine Vorbildfunktion bis zum Ende des Jahres 2019 in einem Energieeffizienzerlass zu definieren. Dieser muss zügig gefasst und in die Strategie aufgenommen werden. Deutschland ist für die EU-Kommission bei der Gebäudesanierung eher ein Musterschüler. Denn in den anderen EU-Staaten wird vielerorts quasi gar nicht energetisch saniert. Eine Langfristrenovierungsstrategie Deutschlands ohne konkrete Ziele für die öffentlich Gebäudesanierung dürfte aber auch bei der EU-Kommission mindestens Stirnrunzeln erzeugen.
bdi-stellungnahme-zur-langfristigen-renovierungsstrategie-deutschlands-18.05.2020