
BDI-Round-Table-Diskussion „Klimaziele heute und morgen“
„Es bleibt völlig offen, ob und mit welchen Instrumenten weitere Zielverschärfungen überhaupt erreicht werden könnten“, sagt Lösch bei der Eröffnung der BDI-Round-Table-Diskussion. Schon das heute für 2030 bestehende Klimaschutzziel bringe Deutschland an die Grenze technischer Machbarkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Mit der neuerlichen Zieldiskussion werde Investitionsunsicherheit erzeugt, wo eigentlich massive Investitionen benötigt werden. „Die möglichen Folgen einer Verschärfung der Klimaziele müssen in einem akribischen Verfahren zur Folgenabschätzung abgewogen werden“, fordert Lösch.
Wasserstoffstrategie benötigt mehr Ehrgeiz, öffentliche Gebäudesanierung muss endlich in Gang kommen
Bei der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung plädiert Lösch für mehr Ehrgeiz. „Verzagtheit und mangelnde Offenheit für die Vielfalt der technischen Lösungen in Energie, Industrie, Verkehr und Wärme mindern die enormen Potenziale der Wasserstofftechnologie“, so Lösch. Ein klimaneutrales Europa mit einer starken Industrie sei ohne eine sichere und wirtschaftliche Versorgung mit Wasserstoff unvorstellbar. Die Industrie könne aber auch als Technologieanbieter punkten. „Diese Verknüpfung zwischen Klimaschutz und Wettbewerbschancen sollte im Green Deal noch viel stärker zum Ausdruck kommen“, so Lösch.
© Christian Kruppa - Holger Lösch, BDI
Für mehr Klimaschutz im Gebäudesektor sieht Lösch mit Einführung der Steuerförderung der energetischen Gebäudesanierung eine wichtige Weichenstellung endlich vollzogen. „Die Politik darf jetzt aber nicht die Hände in den Schoß legen“, mahnt Lösch. Das eigentliche Ziel – die kraftvolle Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung – sei noch nicht erreicht. Zusätzlichen Handlungsbedarf sieht er insbesondere beim öffentlichen Gebäudebestand. „Der Bund muss seine Vorbildfunktion bei der Gebäudesanierung jetzt endlich konsequent ausfüllen“, so Lösch.
Wasserstoff wettbewerbsfähig zur Verfügung stellen
Andreas Feicht, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, unterstreicht, blauer und grüner Wasserstoff seien ein Schlüssel dafür, die Industrie trotz ambitionierter Klimaschutzziele in Deutschland zu halten. Dabei sei der Preis von entscheidender Bedeutung „Moleküle müssen wettbewerbsfähig und kostengünstig zur Verfügung gestellt werden", so Feicht. Dafür werde ein europäischer Rahmen gebraucht. Eingesetzt werden müsse Wasserstoff zunächst dort, wo die Wirtschaftlichkeitslücke am kleinsten sei. Perspektivisch werde Wasserstoff aber auch zur Dekarbonisierung in anderen Sektoren benötigt, auch bei Gebäuden. Im Gebäudesektor sieht Feicht mit dem Klimapaket wichtige Aufgaben der Politik erfüllt. „Die getroffenen Maßnahmen müssen jetzt wirken“, so Feicht. Die Vorbildfunktion der Bundesregierung bei ihren eigenen Gebäuden würde in Bälde in dem angekündigten Effizienzerlass festgelegt.
© Christian Kruppa - Staatssekretär Andreas Feicht, BMWi
Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (Freie Wähler), warnt mit Blick auf die angestrebte Verschärfung der Klimaschutzziele vor dem Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland. Zentrale Herausforderungen für die Zukunft seien zum einen, der drohenden Industrialisierung entgegenzuwirken, und zum anderen, die ausreichende Verfügbarkeit von Wasserstoff in Deutschland zu wettbewerbsfähigen Preisen zu gewährleisten. Wasserstoff, so Aiwanger, werde einen elementar wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie in Deutschland leisten. Dafür müsse sowohl eine nationale Wasserstoffproduktion aufgebaut als auch der Import von ausreichend Mengen grünen Wasserstoffs gewährleistet werden. Zufrieden zeigt sich Aiwanger damit, dass endlich die Einführung einer Steuerförderung energetischen Gebäudesanierung gelungen sei. Er habe die Hoffnung, dass die Steuerförderung die erforderliche Wirkung entfalte.
© Christian Kruppa - Staatsminister Hubert Aiwanger, MdL
Ausbau der Erneuerbare Energien-Produktion nicht vergessen
Bernd Westphal, Sprecher der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie der SPD-Bundestagsfraktion, stellt mit Blick auf die ambitionierten Klimaziele die Wichtigkeit von Innovationen heraus. Dafür müssten auch Carbon Capture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Utilization (CCU) Optionen sein. Westphal mahnt angesichts des Wasserstoff-Hypes davor, den benötigten Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland zu vernachlässigen. „Ohne Erneuerbare verjagen wir die Industrie aus Deutschland“, warnt er. Dass eine Verschärfung der Klimaziele zu einem verstärkten Zubau erneuerbarer Energien führen würde, bezweifelt Westphal. Handlungsbedarf sieht er an anderer Stelle: Die Abstandsregeln für Windkraftanlagen seien "Wahnsinn". Im Gebäudesektor müsse der Verdichtung der Fernwärme höhere Bedeutung beigemessen werden. Auch Produktion und Nutzung von Wasserstoff, in kleineren als auch größeren Anlagen, z. B. im Quartier, könnten bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors einen wertvollen Beitrag leisten, so Westphal.
© Christian Kruppa - Bernd Westphal, MdB
Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, unterstreicht, Deutschland müsse die Diskussion über eine Verschärfung der europäischen Klimaziele als Chance begreifen. Es sei möglich, die Industrie im Land zu halten, wenn es technologische Fortschritte gebe. Zur Anreizung eines nächsten technologischen Schrittes müsse ein Instrumentarium geschaffen werden. Als Optionen sieht Krischer „Carbon Contracts for Difference“, die Differenzen zwischen Zertifikatspreisen im Emissionshandel und tatsächlichen Vermeidungskosten ausgleichen, oder auch Quoten, z. B. für CO2-freien Stahl. Wasserstoff wird nach der Erwartung von Krischer ein wichtiger Teil der Energiewende. Auch er mahnt jedoch, das dürfe nicht den Ausbau regenerativer Energien stoppen. Im Gebäudesektor ist für Krischer das Ausfüllen der öffentlichen Vorbildfunktion ein wichtiger Baustein dafür, die Gebäudesanierung insgesamt voranzubringen. Hier sei die Bundesregierung jetzt in der Pflicht.
© Christian Kruppa - Oliver Krischer, MdB